Ich wuchs mit dem Glauben auf, dass es einen Gott gibt. Meine Mutter lehrte mich das Gebet: „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.“ Eigentlich ein gutes Gebet, finde ich. Man kann es übersetzen in: „Gott, hilf mir, an dich zu glauben, damit ich mit dir leben und einmal für immer bei dir sein kann.“
Meine Mutter glaubte an einen Gott, der alles geschaffen hat (sie wies mich oft auf die Wunder der Schöpfung hin) und war davon überzeugt, dass wir vor ihm verantwortlich sind. Sie bemühte sich, ein aufrichtiges Leben zu führen und ihren Mitmenschen Gutes zu tun. Sie brachte mir bei, andere nicht zu verurteilen, sondern zu versuchen, sie zu verstehen. Sie lehrte mich auch, dankbar zu sein für das, was uns von Gott geschenkt ist. Als ich mich einmal über die Schule beschwerte, wies sie mich darauf hin, dass es auf dieser Welt viele Kinder gibt, die sich wünschen würden, zur Schule gehen zu dürfen. Und die es nicht können, weil ihre Eltern zu arm sind, um den Unterricht zu bezahlen, oder weil sie stattdessen in Steinbrüchen arbeiten oder Baumwolle pflücken müssen, damit ihre Familie überleben kann. Das beeindruckte mich so sehr, dass ich Bildung fortan als hohes Gut betrachtete und nie mehr über die Schule geschimpft habe.
Meine erste Kinderbibel
Auch wenn mir in meinem Elternhaus der grundsätzliche Glaube an einen guten, gerechten Gott vermittelt wurde, konnten meine Eltern mir darüber hinaus nicht viel über ihn sagen. Sie konnten mir ja nur das weitergeben, was sie selber hatten. Und sie wussten nicht, dass es möglich ist, ihn wirklich persönlich kennenzulernen. Auch der Religionsunterricht in der Schule war in dieser Hinsicht wenig hilfreich. Dann schenkte mir meine Tante Elisabeth einfach so, mitten im Jahr, eine Kinderbibel. Ich war schon im Grundschulalter eine „Leseratte“, und so las ich von nun an jeden Abend vor dem Einschlafen eine Geschichte in meiner neuen Kinderbibel. Die Geschichten fesselten mich, und ich erinnere mich daran, dass ich mich, wenn ich das Licht ausgemacht hatte, auf die andere Seite zu meinem Spielzeugelefanten Jumbo hinüberdrehte und ihm brühwarm weitererzählte, was ich soeben gelesen hatte. Heute schmunzle ich darüber und denke: Ob ich wohl schon damals eine „evangelistische Ader“ hatte? Irgendwie muss ich wohl begriffen haben, dass die Geschichten von Gott zum Weitersagen gedacht sind.
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Ich denke, Tante Elisabeth hat mir mit dieser Kinderbibel ein sehr wertvolles Geschenk gemacht. So war es eine große Ehre für mich, als der R. Brockhaus Verlag mich damit beauftragte, die Elberfelder Kinderbibel zu schreiben. Meine Hoffnung und mein Gebet ist, dass viele Kinder durch diese Bibel so angesprochen werden wie ich durch meine erste Kinderbibel.
Meine Konfirmandenzeit und eine erste Gebetserhörung
Mit 13 Jahren kam ich in den Konfirmandenunterricht, der damals nur ein Jahr dauerte. Ich nahm gerne daran teil. Während mich in meiner Kinderbibel vor allem die Geschichten des Alten Testaments gefesselt hatten, brachte uns der Pfarrer nun die Berichte über Jesus nahe. Er nannte auch oft Beispiele aus dem täglichen Leben, die biblische Wahrheiten illustrierten. Doch leider konnte er uns auch nicht zeigen, wie wir Gott wirklich kennenlernen und eine Beziehung zu ihm haben können.
Dennoch glaubte ich an ihn und erlebte in dieser Zeit sogar die erste Gebetserhörung, an die ich mich bewusst erinnere: Ich betete für die gesunde Rückkehr der drei Apollo-13-Astronauten zur Erde. Der kritische Moment, als sie mit dem nur provisorisch reparierten Raumschiff wieder in die Erdatmosphäre eintauchen sollten, wurde live im Radio begleitet (es bestand meiner Erinnerung nach die Gefahr, dass die Raumkapsel verglühen oder abprallen und auf Nimmerwiedersehen im Weltraum verschwinden würde). Ich verkroch mich in diesem Moment in die schmale Lücke zwischen unserem Klavier und der Wand und betete inständig, dass der Wiedereintritt gelingen würde. Ich war sehr glücklich und erleichtert, dass Gott dieses Gebet, das sicherlich auch viele andere Menschen auf der ganzen Erde gebetet hatten, erhörte.
Als die Konfirmation näherrückte, machte unser Pfarrer uns einen Vorschlag. Er bat uns, aus dem Gesangbuch einen Liedvers auszuwählen, der uns besonders ansprach. Aufgrund dieses Liedverses würde er dann einen Konfirmationsspruch für uns aussuchen. Ich nahm diese Aufgabe sehr ernst, stöberte eifrig im Gesangbuch und fand schließlich einen Vers, bei dem mein Herz einen Sprung machte. Es war der 5. Vers aus dem Lied „Tut mir auf die schöne Pforte“, und er begann mit den Worten „Stärk in mir den schwachen Glauben“:
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Ich wusste: Das ist mein Vers, das ist meine Bitte, die ich an Gott habe – dass er meinen kleinen, schwachen Glauben stärkt und nicht zulässt, dass mir dieser wertvolle Schatz jemals geraubt wird. Ich wünschte mir, dass mein Glaube wachsen und mir Orientierung und Trost auf meinem Lebensweg geben würde.
Eine große Enttäuschung
Ich gab den Zettel mit meinen Vers ab und wartete voller Spannung auf meinen Konfirmationsspruch. Ich hoffte, dass mir Gott dadurch eine Antwort geben würde.
Aber als ich am Tag der Konfirmation zum Altar ging und der Pfarrer mich segnete und mir den Konfirmationsspruch zusprach, war ich bitter enttäuscht. Der Vers lautete:
Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.
(Psalm 119,105)
Ich war deshalb so enttäuscht, weil die Perspektive nicht stimmte. Ich hatte mir gewünscht, dass Gott etwas zu mir sagen würde. Dieser Vers war jedoch von einem Menschen ausgesprochen worden – ich bekam keine Antwort von Gott (so empfand ich es zumindest), sondern es war ein Satz, den wiederum ein Mensch gesagt hatte. Ich war traurig und dachte, Gott spricht nicht mit mir. So hörte ich auf, nach ihm zu suchen.
Inzwischen bin ich längst ausgesöhnt mit meinem Konfirmationsspruch – ich finde ihn sehr schön und kann mich vollkommen mit diesem Bekenntnis identifizieren. Aber damals war das leider nicht der Fall.
Nach meiner Konfirmation ging ich nur noch selten in die Kirche – eigentlich nur mit meinen Eltern zu Weihnachten.
Eine heiße Spur
Immer wieder einmal landeten Kisten mit gebrauchten Büchern bei uns, die Verwandte von uns aussortiert hatten. Ich stöberte jedes Mal eifrig darin herum und las viele davon. Eines Tages hielt ich das Buch „Jesus unser Schicksal“ von Pfarrer Wilhelm Busch in den Händen, in dem er seinen Lesern die biblische Botschaft erklärt und dazu einlädt, Jesus nachzufolgen. Ich las auch dies und hatte beim Lesen das Gefühl, auf eine ganz heiße Spur gestoßen zu sein. Das ist es, dachte ich, das ist es, worum es geht. Am besten kann ich es mit den Worten der beiden Jünger beschreiben, denen Jesus auf dem Weg nach Emmaus begegnet war. Nachdem er viele Bibelstellen erklärt hatte, die sich auf ihn beziehen, sagen die Jünger im Rückblick: „Brannte nicht unser Herz in uns, wie er auf dem Weg zu uns redete und wie er uns die Schriften öffnete?“ (Lukas 24,32). Genauso empfand ich es auch – mein Herz brannte in mir. Aber – was ich tun sollte, wusste ich nicht. Ich denke, ich hätte einen Menschen gebraucht, der mir geholfen hätte, Jesus persönlich kennenzulernen und mein Leben an ihm festzumachen.
Ausflug in die Welt der Esoterik
In der Oberstufe entdeckte ich in der Schulbibliothek das Buch „Siddharta“ von Hermann Hesse und war fasziniert. Fortan wurde Hermann Hesse mein Lieblingsautor und ich kaufte alle Bücher von ihm, deren ich habhaft werden konnte. Meine Gedanken wandten sich nun vom Christentum ab und den östlichen Religionen und Philosophien zu. Im Rahmen der Lebensreformbewegung, der ich mich anschloss, machte ich Bekanntschaft mit Parapsychologie, Theosophie und Antroposophie, mit der Lehre von Karma und Reinkarnation und einer Reihe weiterer esoterischer Richtungen. Ich war fasziniert, bestellte und verschlang viele Bücher und war der Meinung, bei meiner Suche nach dem Sinn des Lebens nun auf dem richtigen Weg zu sein. Der christliche Glaube war in meinen Augen nur noch eine Religion von vielen und viel weniger ausgereift als die Lehren von Buddha und Konfuzius.
Eine Zeugin Jehovas bringt mir das Wort Gottes
Inzwischen war ich wegen meines Studiums nach Germersheim gezogen. Ich führte ein seltsames Doppelleben. Im Studium war ich erfolgreich, ich konnte alle damit verbunden Aufgaben gut bewältigen und hatte das Gefühl, am richtigen Platz zu sein. Innerlich jedoch sah es anders aus. Ich steigerte mich immer mehr in meine esoterischen Bücher hinein in der Hoffnung, dass ich durch sie ein erfülltes Leben finden könnte. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Ich wurde immer unglücklicher und hatte das Gefühl, mich im Kreis zu drehen. All die Praktiken, die in den Büchern empfohlen wurden, funktionierten bei mir nicht und es ging mir trotz meines erfolgreichen Studiums psychisch sehr schlecht. Eines Tages saß ich in meinem Studentenzimmer in meinem verschlissenen alten Sessel, über den ich einen weißen Flokati gelegt hatte. Dieser Sessel war mein Lieblingsplatz, ich saß dort immer, um zu lesen und nachzudenken. Ich war an diesem Nachmittag so verzweifelt, dass ich mich unter Tränen an den Gott wandte, an dessen Existenz ich irgendwie immer noch glaubte. „Was willst du von mir, Gott? Bitte sag es mir“, flehte ich ihn an. „Was soll ich tun? Wie soll ich leben? Muss ich alle diese Bücher lesen und alles lernen, was darin steht? Finde ich dich darin? Ich weiß nicht mehr weiter. Bitte hilf mir!“ Ich war wirklich sehr verzweifelt und sehe noch heute das Bild vor mir, wie das weiße Flokati-Fell vor meinen Augen verschwamm, weil ich so weinte.
Im nächsten Moment hörte ich es dreimal klingeln. Es gab mehrere Studentenzimmer auf unserem Flur, und das dreimalige Klingeln galt mir. Mit tränenüberströmtem Gesicht lief ich die Treppe hinunter, um zu schauen, wer da war. Es war eine Zeugin Jehovas, mit der ich schon einige Male gesprochen hatte. Ich ließ sie ein, ergriff die Gelegenheit beim Schopf und fragte sie: „Was will Gott von uns Menschen? Was müssen wir tun, wie sollen wir leben, was verlangt er von uns?“ Sie schlug ihre Bibel auf und las mir das Doppelgebot der Liebe vor:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand. Dies ist das große und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
(Matthäus 24,37-39)
Auch sie konnte mich leider nicht zu Jesus führen, aber dennoch brachte das Bibelwort, das sie mir zusprach, die Wende in meinem Leben. Ich wusste nun, ich musste den Weg der Esoterik nicht mehr weitergehen. Gott verlangte das nicht von mir – er wollte nur, dass ich ihn und meine Mitmenschen liebte. Von diesem Tag an war ich befreit von dem Druck, mich mit den esoterischen Büchern zu befassen, für die ich so viel Geld ausgegeben hatte. Ich packte sie alle in einen Karton und gab sie einer guten Freundin, die an ihrem Heimatort einen Holzofen hatte und bereit war, sie für mich zu verbrennen.
Das war das erste Mal, dass ich erlebte, welche Kraft das Wort Gottes hat. Ich bin heute der Meinung, dass den Zeugen Jehovas etwas Entscheidendes fehlt, nämlich die Erkenntnis, dass Jesus Gottes Sohn und selbst göttlicher Natur ist. Dennoch hat das Wort, das diese Zeugin Jehovas mir zugesprochen hat, mich von einem Moment zum anderen von meiner damaligen Not befreit – weil es Gottes Wort war. „Ist mein Wort nicht brennend wie Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?“, schreibt der Prophet Jeremia (Jeremia 23,29).
Endlich erklärt mir jemand die „Gute Nachricht“
Während meines Studiums verbrachte ich auch ein Semester in Perugia (Italien). Dort lernte ich Brigitte kennen, eine andere deutsche Studentin, die sich mit mir anfreundete. Sie erzählte mir, dass sie Missionarin sei und in Italien arbeiten wolle – darum absolvierte sie ebenso wie ich den Corso medio an der dortigen Ausländeruniversität. Es gab dort auch eine kleine evangelisch-freikirchliche Gemeinde, in die sie mich einlud. Als Missionarin hatte sie natürlich den Wunsch, mich zu Jesus zu führen, und zum ersten Mal erklärte mir jemand, worin die Botschaft des Evangeliums wirklich besteht. Eines Nachmittags saßen wir in der Bibliothek, und sie zeigte mir ein kleines grünes Heft, in dem die bekannten „drei geistlichen Gesetze“ erklärt wurden: Dass wir Menschen Sünder sind und von Natur aus von Gott getrennt sind, dass Jesus Christus am Kreuz gestorben ist, um unsere Sünden wegzunehmen, und dass wir fortan in Gemeinschaft mit ihm und Gott, dem Vater, leben können, wenn wir seinen Opfertod für uns persönlich annehmen und ihm unser Leben anvertrauen. Das Büchlein enthielt auch Bibelverse über die Auferstehung und darüber, was es bedeutet, Jesus nachzufolgen: nämlich, ihn wichtiger zu nehmen als alles und jeden anderen. Brigitte fragte mich, ob ich diese Entscheidung treffen wollte. Mir ging alles durch den Kopf, was mir in meinem Leben gerade wichtig war, und ich zögerte ein wenig. Aber dann sagte ich ja, und wir beteten gemeinsam. Ich weinte dabei und war sehr berührt.
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Nach diesem Erlebnis fühlte ich mich tatsächlich „neu geboren“, so wie es in dem Büchlein gestanden hatte. Weil ich keine Bibel nach Italien mitgenommen hatte, gab mir Brigitte ihre und ich las von da an täglich darin. Viele Stellen waren unterstrichen und mit Anmerkungen versehen, was mir beim Verständnis half. Eines Tages hatte ich ein Erlebnis, das mir bis heute unvergesslich ist. Ich denke, es war eine Art Offenbarung: Ich war gerade im Badezimmer und begriff plötzlich im tiefsten Herzen, dass ich ein geschaffenes Wesen war. Dass ich da war, dass mein Körper und alle seine Organe funktionierten, all die vielen Vorgänge, die sich in meinem Körper abspielten und auf die ich zum Teil überhaupt keinen Einfluss hatte – das hatte Gott gemacht. Ich spürte meine vollkommene Abhängigkeit von ihm und erkannte, dass auch all das, was ich aus „eigener“ Kraft zustande bringe, letztlich von ihm geschenkt ist. Denn all das, was ich tun kann, beruht auf dem, was mir mitgegeben worden ist. Diese Erkenntnis hat mich sehr berührt, und sie ist bis heute lebendig geblieben.
Ohne Gemeinde ist es schwer
Direkt im Anschluss an meine Zeit in Perugia bekam ich überraschend Nachricht von einer Schule in Manchester, die mir eine Stelle als Assistant Teacher anbot. Also folgte ein weiteres Auslandssemester. Ich wollte gerne meinen Weg mit Gott weitergehen und versuchte dort eine Gemeinde oder Gemeinschaft von Christen zu finden, denen ich mich anschließen konnte. (Leider gab es damals noch nicht die Möglichkeit, einfach danach zu „googeln“.) Ich hatte die Adresse eines methodistischen Pastors erhalten und besuchte seine Gemeinde, lernte nette Menschen kennen – aber sie sprachen nicht so von Jesus, wie ich es in Italien erlebt hatte. Es gab keinen lebendigen Austausch, kein gemeinsames Gebet. So nährte ich meinen Glauben dadurch, dass ich viel in meiner Bibel las, die ich nun natürlich mitgenommern hatte. Auch einige Bücher von Corrie ten Boom hatte ich in einer Buchhandlung entdeckt und las sie mit großer Bewegung. Ich war sicher, dass das Evangelium die Wahrheit ist. Dennoch war es sehr schwer, ohne eine lebendige Gemeinde im Glauben zu bleiben und vorwärts zu gehen.
Andere Prioritäten
Zurück in Germersheim, bestimmten andere Prioritäten mein Leben. Ich wendete mich nicht bewusst von Gott ab, aber er war nicht mehr so wichtig für mich. Andere Dinge standen im Vordergrund – vor allem die Partnersuche. Ich lernte Gerhard kennen, der im Haus gegenüber wohnte und den ich bis dahin nie bewusst wahrgenommen hatte, und wir gründeten eine Familie. Wir brachten beide einiges an „Gepäck“ mit in unsere Ehe, und wir hatten es nicht leicht miteinander. Nach vier Ehejahren – unser zweiter Sohn war inzwischen geboren – standen wir vor dem Aus. Eine Scheidung schien mir der einzige Ausweg zu sein.
Ein neuer Anlauf
Gerade in dieser Zeit lernte ich die evangelische Gemeindediakonin kennen. Auch hier ging die Kontaktaufnahme von ihr aus, wie bei Brigitte. Sie sprach mich eines Tages an, als ich vor dem Kindergarten stand. Heute denke ich, dass vielleicht Gott es so geführt hat. Sie besuchte mich, brachte mir Bücher und lud uns zu ihrem kleinen Hauskreis ein. Wir gingen beide hin. Gemeinsam mit dem Psychologen, bei dem Gerhard damals in Behandlung war, konnte sie erreichen, dass Gerhard eine Kur in der christlichen Klinik Hohe Mark genehmigt bekam. Als wir die Eingangshalle betraten, las ich die große Inschrift:
Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.
(Matthäus 11,28)
Es berührte mich sehr und ich dachte: Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für uns?
In der Klinik gab es Bibelstunden und gemeinsames Singen mit Gitarrenbegleitung. Gerhard nahm gerne daran teil, und der Kuraufenthalt tat ihm sehr gut.
Gerettet!
Als er wieder zu Hause war, besuchte ich mit einer Freundin, die ebenfalls auf der Suche nach der Wahrheit/nach Gott war, eine Buchausstellung in der katholischen Pfarrbibliothek. Sie nahm ein dünnes Buch in die Hand, das von einer Psychologin geschrieben worden war, die zum lebendigen Glauben an Jesus Christus gefunden hatte. Nachdem ich das Cover angeschaut und ein wenig in dem Buch geblättert hatte, wurde ich neugierig und bestellte es. Als es ankam, lasen wir es beide. Die Autorin berichtete davon, wie sie in einer Lebenskrise eine Gemeinschaft charismatischer Christen kennengelernt hatte und so selbst zu Gott gefunden hatte. Beim Lesen machte ich noch einmal die Erfahrung, dass „mein Herz in mir brannte“. Ich wusste einfach, dass das, was sie schrieb, die Wahrheit war. Ich gab das Buch auch Gerhard, der ebenfalls tief berührt war. Am Abend beteten wir gemeinsam nach der Anleitung, die in dem Buch abgedruckt war, denn wir dachten beide: Wenn uns überhaupt noch jemand helfen kann, dann Jesus. Wir sprachen vor Gott und voreinander die Dinge aus, durch die wir uns schuldig gemacht hatten, und baten Jesus, als Herr und Retter in unser Leben zu kommen und uns mit seinem Geist zu erfüllen.
Direkt nach unserem Gebet war es, als sei der Himmel aufgerissen worden. Wir waren überglücklich und einfach sicher, dass wir die Wahrheit gefunden hatten. Es war überwältigend. Begeistert erzählten wir all unseren Freunden von unser Entdeckung, aber die meisten dachten nur, wir wären ein bisschen übergeschnappt und das würde sich schon wieder geben. Aber wenn es uns half, dann war es ja gut.
Gemeinsam mit meiner Freundin, die ihr Leben nun ebenfalls an Jesus festgemacht hatte, suchten wir nun vor Ort eine lebendige Gemeinde. Wir fanden eine kleine, im Entstehen begriffene Freikirche, bei der wir mit offenen Armen aufgenommen wurden. Es war eine kostbare Zeit, die ein alter Glaubensbruder einmal mit dem Spruch kommentierte: „In den ersten Gnadentagen wirst du von dem Lamm getragen.“
Und heute?
Nachdem wir unser Leben Jesus anvertraut hatten, hat er uns zu unseren beiden Söhnen noch zwei Töchter geschenkt. Inzwischen sind alle erwachsen und haben liebe Ehepartner gefunden, und mittlerweile haben wir schon acht lebhafte Enkelkinder.
Seit wir zu Jesus gefunden haben, hat sich in unserer Ehe so vieles zum Guten gewendet. Schritt für Schritt haben wir Veränderung und Heilung erlebt und haben gelernt, viel verständnisvoller und liebevolller miteinander umzugehen als früher.
Dennoch haben wir auch schwere Zeiten und tiefe Krisen durchlebt. Aber den Glauben an unseren Herrn haben wir nie verloren. In schwierigen Situationen oder an Wegkreuzungen haben wir ihn um Hilfe gebeten und nach seinem Plan und Willen für unser Leben gefragt. So sind wir auch heute noch gemeinsam unterwegs – er ist der „Dritte“ in unserem Bund, der dafür gesorgt hat, dass unser Lebensschiff nicht gekentert ist.
Seit vielen Jahren haben wir in unserer Ehe ein schönes Ritual: Jeden Abend setzen wir uns für eine Stunde zusammen, um uns auszutauschen und miteinander zu beten. Dann besprechen wir alles, was uns beschäftigt, miteinander und mit Jesus und bringen unsere Gebetsanliegen vor ihn. Diese feste Gewohnheit tut uns einfach gut.
Meine ganz persönliche feste Gewohnheit besteht darin, dass ich mir morgens viel Zeit nehme , um in der Bibel zu lesen und über das Gelesene nachzudenken (da ich freiberuflich arbeite, genieße ich den Luxus der freien Zeiteinteilung). Ich beginne jeden Tag mit dem Lesen der Losungstexte – die kleine grüne Schreibausgabe mit Platz für wichtige Notizen ist nun schon seit vielen Jahren mein Begleiter.
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Parallel lese ich meist auch den Neukirchener Kalender, den ich auf meinem Handy gespeichert habe. Die Auslegungen zum Tagestext sprechen mich oft sehr an, ebenso auch die weiterführenden Impulse und Buchtipps. Ich habe mir auch die App „YouVersion“ heruntergeladen; dort gibt es die Bibel in vielen Sprachen, zudem einen Tagesvers mit Auslegung und Bibellesepläne zu verschiedenen Themen. Da ich gerade Spanisch lerne, habe ich die App auf Spanisch eingestellt. So kann ich von meiner Lektüre gleich doppelt profitieren.
Meine morgendliche Zeit mit Gott ist für mich sehr kostbar und gibt mir Kraft und Orientierung für den ganzen Tag. Aber wie gesagt: Wenn man im normalen Berufsleben steht, kann man sich eine so ausgedehnte „Stille Zeit“ mit Sicherheit nicht leisten – das ist ein besonderes Privileg meines Lebens als Freiberuflerin.
Glaube und Beruf
Besonders dankbar bin ich dafür, dass Gott mir die Möglichkeit geschenkt hat, meine Arbeit mit meinem Glauben zu verbinden. Es macht mich so froh, dass ich Bücher mit christlicher Botschaft schreiben und übersetzen darf. So begleite ich jede Veröffentlichung mit der Hoffnung und dem Gebet, dass die Leser und Leserinnen dadurch bereichert und in ihrem Glauben gestärkt werden.
Ich freue mich sehr darüber, dass im August mein neues Andachtsbuch Wegbegleiter mit Fell und Flügeln erscheint. Ich erzähle darin 52 Geschichten von Tieren (vor allem meinen Hunden), durch die mir bestimmte biblische Wahrheiten besonders eindrücklich deutlich geworden sind.
Mein geistliches Zuhause
Vielleicht noch ein Wort zu meiner „geistlichen Heimat“: Nach meiner Hinwendung zu Jesus Christus habe ich mich lange Zeit der pfingstlich-charismatischen Bewegung zugehörig gefühlt. Vor einigen Jahren habe ich mich noch einmal neu orientiert und bin heute Mitglied der Freien evangelischen Gemeinde in Speyer. Ich fühle mich von Gott dorthin geführt und freue mich, dass ich dort von Herzen willkommen bin und bei der Gottesdienstgestaltung und im Predigtdienst mitwirken darf. Immer wieder mache ich im Hauskreis und in den Gottesdiensten die Erfahrung, dass es wahr ist, was Jesus versprochen hat: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18,20).
Und die Bilanz?
Wenn ich heute auf mein Leben zurückschaue, denke ich: Gott hat meine Bitte erhört, die ich damals im Konfirmandenunterricht an ihn gerichtet habe. Er hat den „schwachen Glauben“, den ich damals hatte, gesehen und dafür gesorgt, dass diese kleine Pflanze nicht eingegangen ist. Er hat mir immer wieder Menschen (und Bücher) über den Weg geschickt, die mich auf ihn hingewiesen haben und mir geholfen haben, schließlich zu Jesus zu finden und mein Leben an ihm festzumachen. Er hat sehr viel Geduld mit mir gehabt, und ich denke oft, ich war wie der Blinde, der zwei Anläufe brauchte, um von Jesus geheilt zu werden (Markus 8,22-25): Zuerst sah er die Menschen „umhergehen wie Bäume“, und erst, als Jesus ihn zum zweiten Mal angerührt hatte, sah er klar. Heute ist mein Konfirmationsspruch für mich wahr geworden: Sein Wort, die Bibel, ist mein Licht, das mir immer wieder Trost und Orientierung schenkt und an dem ich mein Leben ausrichte.
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