Meine erste Berührung mit fremden Sprachen hatte ich schon als kleines Kind: Viele ältere Menschen in unserem Dorf sprachen „Lippisch platt“. Ich konnte davon einige Worte verstehen, die wir Jüngeren in unserer Alltagssprache ebenfalls benutzten – so wurden Frösche zum Beispiel „Pöppen“ genannt, weshalb der kleine Teich hinter unserem Haus der „Pöppenteich“ hieß. Aber insgesamt blieben meine Kenntnisse des Lippischen doch sehr beschränkt.
Erste Erfahrungen mit Englisch, Latein und Französisch
Erst als in der ersten Klasse des Gymnasiums der Englischunterricht begann, lernte ich meine erste „richtige“ Fremdsprache. Wir hatten eine großartige Lehrerin, die von Anfang an nur Englisch mit uns sprach, und ich lernte mit Begeisterung. Lippe lag damals in der britischen Besatzungszone. Wegen der bei uns stationierten englischen Soldaten konnten wir im UKW-Radio den englischsprachigen Sender BFBS empfangen (British Forces Broadcasting Service). Als ich das entdeckte, verbrachte ich oft Stunden damit, allein in meinem Zimmer den Sendungen zu lauschen. Besonders die Romanlesungen, die nachmittags oder spätabends ausgestrahlt wurden, begeisterten mich, und meine Liebe zum britischen Englisch wurzelt sicher in diesen frühen Eindrücken.
„Mit jeder neu erlernten Sprache erwirbt man eine neue Seele.“
Aus der Slowakei
In der siebten Klasse kam dann der Lateinunterricht hinzu, und wieder öffnete sich eine neue Welt für mich. Die Geschichte der Alten Römer, die unser Lehrer so lebendig erzählen konnte, faszinierte mich ebenso wie der logische Aufbau dieser Sprache, die sich so gut analysieren ließ. Oft bestanden unsere Hausaufgaben darin, dass wir unbekannte Texte ins Deutsche übersetzen sollten. Ich fand diese Übersetzungsaufgaben spannend und erledigte sie gern. Meine heutige Freude und Sorgfalt beim Übersetzen habe ich zweifellos der strengen Schule meines Lateinlehrers zu verdanken, der uns immer wieder zu Gründlichkeit und logischem Denken anhielt.
Ab der neunten Klasse wurde nachmittags eine AG für Französisch als dritte Fremdsprache angeboten. Ich nahm daran teil, aber leider bin ich mit dieser schönen Sprache nie wirklich warm geworden, und ich bin bis heute nicht über bescheidene Schulkenntnisse hinausgekommen.
Italienisch – meine neue Leidenschaft
Das Italienische hingegen, das ich dann in Germersheim im Rahmen meines Übersetzerstudiums erlernte, begeisterte mich von Anfang an. Ich war in diese Sprache regelrecht verliebt, und durch seine nahe Verwandtschaft mit dem Lateinischen fiel mir das Lernen leicht. Während des Studiums verbrachte ich ein Semester an der Universitá Italiana per Stranieri in Perugia; später folgte dann ein Jahr als Au-pair in Rom. Auch nach dem Studium, als wir schon unser erstes Kind hatten, zog es mich noch einmal nach Italien: Ich arbeitete ein Jahr lang als Deutschlehrerin an einer Sprachschule auf Sardinien. Allerdings fiel das Leben auf dieser Insel uns schwerer als gedacht – wir bekamen kaum Kontakt zu Einheimischen und kamen auch finanziell nur mit Mühe über die Runden. So waren wir froh, am Ende des Schuljahres wieder nach Germersheim zurückzukehren.
Ein paar Experimente – und dann Niederländisch
Ich schnupperte im Laufe der Jahre noch in einige andere Sprachen hinein – lernte ein wenig Türkisch und Polnisch, bemühte mich ein Jahr lang recht intensiv um das Schwedische und lernte auch etwas Isländisch. Diese Erfahrungen haben mich sehr bereichert und meinen Horizont erweitert. Aber nur bei einer weiteren Sprache sprang noch einmal wirklich der Funke über: Als ich durch einen Übersetzungsauftrag mit dem Niederländischen in Berührung kam, war es um mich geschehen. Diese Sprache begeisterte mich auf Anhieb, und ich investierte noch einmal meine ganze Kraft und Liebe, um sie zu lernen.
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Persisch … und Spanisch
In der jüngeren Vergangenheit habe ich dann noch einige Jahre lang Persisch gelernt. Der Anlass war, dass geflüchtete Menschen aus dem Iran und Afghanistan in unsere Gemeinde kamen. Meine erste Bekanntschaft mit der persischen Sprache hatte ich schon in Perugia gemacht, denn dort an der Ausländeruniversität studierten auch viele Iraner. Die wunderschönen, wehmütigen Lieder, die sie abends auf der Piazza zur Gitarre sangen, hatten mich tief berührt. So war nun die Gelegenheit gekommen, mich etwas intensiver mit dieser klangvollen Sprache zu beschäftigen.
Die Herausforderung der neuen Schrift nahm ich gern an – schon als Grundschulkind hatte ich mit meiner Freundin eine aus lauter fremden Zeichen bestehende Geheimschrift erfunden. So machte mir das Lernen der persischen Schriftzeichen viel Freude. Allerdings habe ich es mit dem Sprechen des Persischen nicht weit gebracht – wahrscheinlich ist das einfach keine Sprache, die man sich nebenbei und in eigener Regie aneignen kann. Darum habe ich das Persische inzwischen leider wieder aufgegeben.
Stattdessen lerne ich nun Spanisch. Einer meiner Schwiegersöhne ist Argentinier, und so bietet sich das natürlich an. Während ich zu dem europäischen Spanisch keinen emotionalen Zugang gefunden habe, gefällt mir das südamerikanische Spanisch wegen seiner weicheren, melodischen Aussprache sehr gut. Dass es viele Parallelen zum Italienischen, Lateinischen und Französischen gibt, hilft mir beim Lernen ntürlich sehr.
„Der Deutsche soll alle Sprachen lernen, damit ihm zu Hause kein Fremder unbequem, er aber in der Fremde überall zu Hause ist.“
Johann Wolfgang von Goethe
Den Anspruch, den Goethe hier formuliert, finde ich wirklich etwas hoch gegriffen. Aber etwas Wahres ist sicher daran: Viele Menschen freuen sich sehr, wenn man versucht, ein paar Sätze in ihrer Sprache zu sprechen – das kann wirklich Herzen öffnen. Und wenn wir nicht mehr weiter wissen, hat dieser Kühlschrankmagnet einen guten Tipp für uns:
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Mit freundlicher Genehmigung der Steinkünstlerin Nadine
Erfolgreiche Integration
Eine besondere Herausforderung stellte für mich als Norddeutsche natürlich auch das Erlernen der pfälzischen Sprache dar. Als ich anfänglich nach Germersheim kam, verstand ich nämlich so gut wie nichts, wenn die Einheimischen untereinander oder mit mir Pfälzisch sprachen. Meine liebe Freundin Gertrud aus dem benachbarten Landau schaffte Abhilfe: Sie weihte mich systematisch in die Geheimnisse ihrer Muttersprache ein und brachte mir die grammatischen Grundkenntnisse bei. Seitdem kann ich, auch wenn man mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt, ohne nachzudenken herunterschnurren:
Ich bin, du bisch, der is – mir sinn, ihr sinn, die sinn.
Ich heb, du hosch, der hot – mir henn, ihr henn, die henn.
Mei Mudda, dei Mudda, sei Mudda – unser Mudda, eier Mudda, denne ihr Mudda.
Aber the proof of the pudding is the eating, wie die Engländer so schön sagen: Ob eine Sache etwas taugt, muss sich in der Praxis zeigen. Auch für mein Pfälzisch kam eines Tages der Praxistest, und zwar im Umgang mit meiner lieben Schwiegermutter. Zeitlebens hatten wir beide uns „zweisprachig“ unterhalten: Sie sprach mit mir Pfälzisch, und ich antwortete ihr auf Hochdeutsch und umgekehrt. So war es für uns beide am einfachsten. Aber in den letzten Monaten ihres Lebens verstand sie mich nicht mehr, wenn ich Hochdeutsch redete. So fasste ich mir ein Herz und sprach nun meinerseits Pfälzisch mit ihr. Die praktische Notwendigkeit half mir, meine bisherige Scheu zu überwinden. Bestimmt sind mir dabei einige Schnitzer unterlaufen, aber Oma Margret konnte mich verstehen, und nur darauf kam es an.
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Mit freundlicher Genehmigung von Steffen Boiselle, www.agiro.de