Nachhaltigkeit – ein Gedanke Gottes?

Elektroschrott - Foto von dokumol auf Pixabay

„Manchmal braucht man etwas Neues.“ Dieser Spruch ist in unserer Familie ein geflügeltes Wort geworden. Es ist doch auch so, oder nicht? Manchmal braucht man einfach eine „Belohnung“ – irgendeine kleine oder größere Anschaffung, über die man sich freut und die einem gut tut. Für mich sind solche Belohnungen oft Bücher zu Themen, die mir gerade wichtig sind – oder technische Geräte. Ein guter Mixer, ein neuer Laptop, alle paar Jahre mal ein neues Handy – darüber kann ich mich so richtig freuen.

Vor einigen Tagen war es wieder mal so weit. Ich hatte ein arbeitsintensives Projekt abgeschlossen, fühlte mich erschöpft und ausgepowert und war definitiv bereit für eine Belohnung in Gestalt von „etwas Neuem“.

Vielleicht ein neuer E-Reader?

Ich hatte auch schon eine Idee: Es musste ein neuer E-Reader her. Derjenige, den ich hatte, war 11 Jahre alt und gehörte noch zur ersten oder allerhöchstens zweiten Generation. Ich hatte ihn seinerzeit gebraucht von meinem Sohn übernommen, und inzwischen lag er seit Jahren unbenutzt in der Schublade. Wahrscheinlich funktionierte er auch überhaupt nicht mehr. Sicherheitshalber wollte ich mich überzeugen – das wäre ja schließlich ein guter Grund, mir ein neues Modell anzuschaffen.

Aufladen ging noch, der Stecker von meinem alten Handy passte und schließlich wurde das Anzeigelämpchen grün. Das war es dann aber auch – anschalten ließ er sich nicht. Na bitte. Ich hatte es mir ja schon gedacht. Immerhin konnte ich sicherheitshalber noch herausfinden, ob es bei meinem Modell einen Trick gab, einem lange unbenutzten Gerät einen „Reset“ zu verschaffen. Als ich ein paar Stichpunkte bei Google eingab, kam prompt die Antwort: zwanzig bis vierzig Sekunden die Einschalttaste gedrückt halten. Ich probierte es und der Starbildschirm öffnete sich.

Hmm. Eigentlich war das ja nicht das Resultat, das ich mir erhofft hatte. Misstrauisch inspizierte ich das „Inhaltsverzeichnis“ meines Readers. Lauter Sachen dabei, die ich nicht mehr brauchte … na also. Weg damit. Aber – wie wäre es mit Löschen?, fragte eine innere Stimme. Na gut. Wenn ich die Titel anklickte, gab es auch eine Option „Vom Gerät löschen.“ Das konnte ich ja mal machen. Und ziemlich schnell war mein Gerät aufgeräumt. Ich tippte ein Buch an, das behalten hatte – und es ließ sich problemlos lesen. Inhaltsverzeichnis, Suche, Wörter markieren und im Wörterbuch nachschauen, alles ging. Hmm. Eigentlich hatte ich mir ja selbst bestätigen wollen, dass das Teil nicht mehr funktionierte. Es funktionierte also doch. Aber – etwas dorthin schicken, das ging ja bestimmt nicht mehr? Ich stöberte im Shop und fand ein Buch, das sich gratis herunterladen ließ. Der Versuch gelang. Nun gut.

Aber ich brauchte ein Gerät, auf dem man auch PDF-Dateien lesen konnte. Und ich brauchte den Beweis, dass mein Reader nun damit bestimmt überfordert war. Er hatte eine Email-Adresse, erinnerte ich mich dunkel. Bestimmt war die nicht mehr aufzufinden, nicht wahr? Google belehrte mich eines Besseren. Da war genau erklärt, wie ich die Email-Adresse meines Readers herausfand. Aha. Auch das klappte. Ich wählte eine Textdatei aus, öffnete mein  Email-Programm, gab die Adresse meines Readers ein und klickte auf „Senden“. Und wartete zuversichtlich auf den Beweis, dass zumindest das nicht funktionieren würde. Tat es aber doch. Sobald ich mit dem Reader im WLAN war, lud er die neue Datei herunter. Beim Anklicken öffnete sie sich sofort und ließ sich problemlos lesen. Treu und brav erfüllte mein kleines, silberfarbenes Lesegerät mit dem unscheinbaren hellgrauen Display auch diese Aufgabe.

Ja, was sollte ich denn jetzt noch machen? Ich hatte mich selbst davon überzeugen wollen, dass das Gerät nicht mehr funktionierte und dass ich ein neues verdient hatte – und nun? Es funktionierte einwandfrei, und das Einzige, was ich damit nicht konnte, war im Dunkeln lesen. Aber wann brauchte man das schon mal? Beziehungsweise, ich? Genau – ich brauche das nie. Ob mein Licht zum Lesen vom Innern meines Readers oder von meiner Nachttischlampe kommt, ist mir ganz egal.

Mein Reader konnte also noch alles, was ich brauchte. Und wenn ich trotzdem einen neuen wollte – was würde dann mit diesem werden? Zum Elektroschrott geben? Ein tadellos funktionierendes Gerät? Damit es auf der Deponie voller Wasser lief und dann kaputt ging? Das tat mir dann doch zu leid. Verkaufen? Ein Scherz – wer kauft schon einen 11 Jahre alten E-Reader? Eben. Ich begriff: Die einzig sinnvolle Alternative war, ihn zu behalten und zu benutzen.

… dann vielleicht eine neue Hülle?

Aber – ich brauchte doch etwas Neues??? Nun, da bot sich immerhin die Hülle an. Die war schon recht schäbig. Zumindest am Rücken. Das leicht nach Leder riechende Plastikmaterial (keine Ahnung, wie die Hersteller das hinbekommen haben) begann dort in Fetzen abzublättern. Das sah wirklich nicht gut aus. Allerdings erfüllte sie noch voll und ganz ihren Zweck. Der Schließ-Magnetismus funktionierte, der Geräteschutz durch die Polsterung war gewährleistet. Und als ich Gerhard gegenüber das Problem des schäbigen Rückens ansprach, hatte er sofort eine Lösung: Er brachte eine Rolle schwarzes Textilklebeband, mit dem sich die schadhaften Stellen professionell überkleben ließen, sodass die Hülle wieder aussah wie neu. Na ja – wie gebraucht und ordentlich geflickt. Ich gab auf. Ich würde auch die Hülle behalten.

Wie wäre es mit einem neuen Radio?

Aber ich hatte noch einen Trumpf im Ärmel. In unserer Küche stand ja noch mein uraltes DAB-Radio, das ich mir vor gefühlt zwei Jahrzehnten gekauft hatte, um damit den christlichen Radiosender ERF zu hören. Es war ein paarmal heruntergefallen und die aufladbaren Akku-Batterien waren verbraucht, sodass ich das Gerät nur noch im Netzbetrieb benutzte. Der Sendersuchlauf funktionierte nicht mehr, und die gespeicherte Senderliste ließ sich auch nicht mehr abrufen. Inzwischen war der Sender SWR Info eingestellt, und wenn ich beim Essen-Zubereiten die Nachrichten hören wollte, gab es bei der Wiedergabe immer wieder Sprechpausen. (Immerhin hatte ich auf diese Weise die Möglichkeit, meine grauen Zellen zu trainieren, um die fehlenden Satzteile sinnvoll zu ersetzen. Und nach ein paar Minuten Betriebsdauer hatte sich das Gerät anscheinend warmgelaufen – jedenfalls hörten dann die Aussetzer auf.)

Aber nur ein Sender, und noch dazu nicht der, den ich eigentlich wollte – das war doch zu wenig? Und zudem war das Radio durch seinen ständigen Aufenthalt in der Küche ganz verdreckt und verklebt … Ohne Frage war es Zeit für ein neues!

Wirklich? Irgendetwas brachte mich dazu, das kleine Gerät mal ordentlich zu putzen. Nach dem beherzten Einsatz von Wasser, Schwamm und Spülmittel (was sollte schon passieren, ich wollte ja schließlich sowieso ein neues Radio:) ) war der Schmutzfilm verschwunden. Auch die Tasten ließen sich nun wieder besser bedienen, stellte ich etwas beschämt fest.

Nach einigen Versuchen gelang es mir sogar, den Sender ERF wiederzufinden und einzustellen. Auch die Lautstärke ließ sich nach mehreren Anläufen zufriedenstellend regeln, und der Ein- und Ausschaltknopf funktionierte auch recht oft. Nicht immer gleich beim ersten, aber immerhin beim zweiten oder dritten Versuch.

Als ich das nächste Mal vor dem Schlafengehen die Küche aufräumte, hörte ich die Sendung „Lesezeichen“. Die Sprecherin las wunderschön vor, die Lautstärke passte und es gab keine Aussetzer. Am nächsten Mittag bei „Musik und mehr“ dasselbe. Ach ja – die Antenne war bei einem der Stürze abgebrochen und ein völlig verbogenes Stück war abhanden gekommen. Inzwischen bestand die Antenne aus zwei Teilen, die locker aufeinander steckten – aber sie erfüllte ihren Zweck.

Ihr ahnt es schon: Auch das DAB-Radio habe ich behalten. Obwohl ich doch eigentlich etwas Neues gebraucht hätte. Oder zu brauchen meinte. Nun freue ich mich eben „ganz neu“ über meine beiden alten Geräte, die wieder funktionieren und benutzt werden können. Auch wenn meine beiden „Dinosaurier“ sicher nicht auf dem neusten technischen Stand sind, gibt es immer noch viel, was sie können: Mit meinem Reader kann ich so viele E-Books lesen, wie ich mir zumuten möchte – und mein Radio kann zumindest den einen Sender zuverlässig wiedergeben, für den ich es ursprünglich gekauft hatte.

Wenn ich heute, ein paar Tage später, auf diese kleine Episode zurückschaue, habe ich den Eindruck, dass Gott mir durch diese Erfahrung etwas Wichtiges sagen möchte. Denn sie erinnert mich ganz stark an den bekannten Bibelvers aus Jesaja 42,3:

Dieser Bibelvers hat mich im Laufe meines Glaubenslebens immer wieder berührt. Er zeigt meiner Ansicht nach auf eindrückliche Weise, wie liebevoll und barmherzig unser Gott ist: Er wirft das, was fehlerhaft ist und nicht richtig funktioniert, nicht einfach weg. Er schaut auf das, was noch geht, und setzt es für seine guten Ziele ein. Bei ihm hat auch das, was nicht perfekt ist, eine Chance. Er schaut nicht auf unsere Defizite, sondern auf unsere Möglichkeiten. Er lässt uns die Aufgaben erfüllen, zu denen wir – jeder und jede Einzelne von uns – eben fähig sind. Ich musste auch an die biblische Geschichte denken, wo Jesus eine große Menschenmenge mit Brot und Fischen sättigt und danach zu seinen Jüngern sagt: „Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts umkommt!“ (Johannes 5,12).

Ja, ich glaube tatsächlich, dass „Nachhaltigkeit“ ein Gedanke Gottes ist: Er kann auf keinen von uns verzichten und wirft niemanden auf den Müll. Das zu erkennen, macht mich so froh. Und ich bin dankbar für die kleine Lehrstunde, die er mir durch meine beiden „unvollkommenen“ und trotzdem noch so nützlichen Geräte erteilt hat.

Geknicktes Rohr und glimmender Dochtdiese beiden werden mich in Zukunft daran erinnern, auf das zu schauen, was „noch geht“ 🙂

Gott hat jedem von euch Gaben geschenkt, mit denen ihr einander dienen sollt. Setzt sie gut ein, damit sichtbar wird, wie vielfältig Gottes Gnade ist.

1. Petrus 4,10